Warum eine gute Kanzleistrategie einen klaren Prozess braucht
Viele Kanzleien wissen in etwa, wohin sie wollen, aber oft haben Partnerinnen und Partner kein gemeinsames Bild. Die Folge: Jeder zieht in eine andere Richtung. Mandanten erleben Unschärfe, Mitarbeitende Unsicherheit, und die Partnerschaft Uneinigkeit.
Eine Kanzleistrategie entsteht allerdings nicht „im Vorbeigehen“ zwischen zwei Mandantengesprächen. Sie ist das Ergebnis eines klar strukturierten, gut moderierten und konsequent umgesetzten Prozesses. Es geht um die Erarbeitung einer gemeinsamen Entscheidung im Sinne der Zukunft der Kanzlei: Wo wollen wir hin? Mit wem? Für wen? Und wie?
Der Strategiekern: Richtung statt Reaktion
Kanzleien agieren oft reaktiv: ein Mandat ergibt sich, man passt sich an. Digitalisierung? Wird noch immer zu sehr ausprobiert, als geplant. Personal? Kommt, wenn jemand zufällig passt. Wachstum? Eher Zufall. So sieht es zumindest in kleineren bis mittleren Einheiten aus. Aber wenn es keine Marschroute gibt, führt das zu Energieverlusten. Potential für die Kanzlei wird nicht gesehen und/oder nicht gehoben. Die Kanzleistrategie dreht diese Logik um:
- Von: Was kommt rein und wie reagieren wir?
- Zu: Wo wollen wir hin und was tun wir dafür?
Das Ziel ist die klare Ausrichtung: auf Mandanten, auf Leistungen, auf Marktsegmente und auf anwaltliche Beratungsprodukte mit Rentabilität. Eine wirtschaftliche Ausrichtung entsteht nicht durch Bauchgefühl, sondern durch bewusstes, strukturiertes Analysieren, Planen und Umsetzen.
Doch wie entwickelt man eine belastbare Kanzleistrategie?
Schritt 1: Analyse – Die ehrliche Bestandsaufnahme
Am Anfang steht die Analyse. Was läuft gut? Was nicht? Welche Mandate tragen wirklich zum wirtschaftlichen Erfolg bei? Welche Bereiche sind veraltet oder defizitär? Welche Kompetenzen fehlen? Von welchen Mandanten sollte man sich verabschieden.
Problem hier: Häufig gibt es kein ausreichendes Datenmaterial. Wirtschaftlichkeiten werden eher aus dem Bauch bestimmt (und im Zweifel mit dem Argument der Mischkalkulation angereichert). Echte Analyse-Instrumente wären:
- SWOT-Analyse (Stärken, Schwächen, Chancen, Risiken)
- Mandatsstruktur und Profitabilität (ABC-Analyse)
- Markt- und Wettbewerbsanalyse
- Teamstruktur und Auslastung
- Digitalisierungs- und Automationsstatus
Es ist wichtig, dass die Analyse nichts beschönigt und ehrlich auf wunde Stellen schaut. Nur wer ehrlich hinschaut, kann strategisch entscheiden. Das fällt natürlich auch manchmal schwer, weil Fehler der Vergangenheit sichtbar werden und es sich partiell anfühlen kann wie ein Scheitern.
Mir ist deshalb besonders wichtig, dass hier keine Schuldzuweisungen formuliert werden. Das bringt nichts und macht allen Beteiligten nur schlechte Laune. Zudem werden so Blockaden aufgebaut, die den Strategieprozess behindern.
Schritt 2: Zielbild – Das gemeinsame „Wofür“
Kanzleien scheitern selten an der Umsetzung, sondern daran, dass die Zielrichtung nie klar definiert wurde, jeder allerdings glaubt, dass sein Ziel das Ziel aller ist. Zentrale Fragen, die ich stelle, sind:
- Wie soll die Kanzlei in 3–5 Jahren aussehen?
- Welche Mandanten wollen Sie? Welche nicht mehr?
- Welche Rechtsgebiete wollen Sie stärken?
- Welche Rollen sollen Digitalisierung und Automation spielen?
- Wie wollen Sie als Arbeitgeber wirken?
Das Zielbild muss konkret und greifbar sein. Vermeiden Sie Worthülsen à la „Wir wollen wachsen“, die nicht messbar sind. Sondern: „Wir werden uns als führende Kanzlei für IT-Recht im Mittelstand in Süddeutschland positionieren“.
Schritt 3: Strategische Richtung festlegen
Im nächsten Schritt wird das Zielbild heruntergebrochen: Welche strategischen Hebel bringen uns zum definierten Ziel? Mögliche Richtungen können sein:
- Spezialisierung auf ausgewählte Rechtsgebiete und oder Branchen
- Digitalisierung zentraler Mandats- und Verwaltungsprozesse
- Personalstrategie zur gezielten Bindung und Gewinnung von Partnern und Mitarbeitern
- Markenpositionierung (regional, thematisch, branchenspezifisch)
- Kooperationen mit Partnern oder Netzwerken
Wichtig hier: Fokus statt Gießkanne! Lieber drei wirksame Wege konsequent verfolgen als 15 halbgare Ideen starten.
Manchmal haben Kanzleien Angst vor einer Spezialisierung, weil sie glauben, dass ihnen so Mandate verloren gehen. Diesen Denkansatz halte ich in den meisten Fällen für falsch. Eine maximale Streuung der anwaltlichen Kompetenzen empfinde ich zudem als nicht glaubwürdig.
Schritt 4: Maßnahmenplanung – Von der Zieldefinition zur Umsetzung
Strategie funktioniert nur, wenn sie operationalisiert wird. Deshalb brauchen Sie:
- konkrete Maßnahmen,
- klare Verantwortlichkeiten,
- Ressourcen (Zeit, Budget, Personen),
- und realistische Zeitrahmen und konkrete Termine.
Zusammenfassend kann man formulieren: Wer, macht was, bis wann und wieviel darf das kosten.
Beispiel:
- „Wir wollen digitaler werden“ ist kein Ziel.
- „Wir führen bis Q3 20XX ein zentrales Client Relationship Management (CRM) ein und schulen alle Beteiligten“ schon.
Tipp: Kanzleien profitieren davon, Strategie mit Budget zu unterlegen. Was kein Budget hat, hat keine Priorität und passiert in der Regel nicht.
Schritt 5: Evaluation – Strategie ist kein Projekt, sondern ein Prozess
Eine Kanzleistrategie darf nicht in der Schublade verschwinden. Kanzleistrategie ist lebendig und muss ständig neu belebt werden. Zudem sollte sie einsehbar sein und im besten Fall Teil des Onboarding-Prozesses neuer Mitarbeiter (zumindest in Teilen). Reviews sind Pflicht (ich empfehle jährlich). Hier sollten folgende Fragen beantwortet werden:
- Welche Maßnahmen wurden umgesetzt?
- Wo stehen wir?
- Was hat funktioniert – was nicht?
- Wo müssen wir Kurs korrigieren?
Erfolgreiche Kanzleien planen feste Strategie-Reviews (sogar quartalsweise oder halbjährlich) und passen die Strategie an, ohne den Kern zu verwässern.
Beteiligung: Warum Partner, Mitarbeitende und Team wichtig sind
Eine Kanzleistrategie, die nur auf Partnerebene erarbeitet wird, bleibt meist wirkungslos. Mitarbeitende spüren schnell, ob sie einbezogen werden oder nicht und ob ihnen ggf. einfach etwas diktiert wird. Wenn Sie Ihre Mitarbeitenden in die Strategie-Entwicklung einbeziehen, erleben Sie:
- mehr Akzeptanz
- bessere Ideen (weil näher am Mandat)
- weniger Widerstände in der Umsetzung
- stärkere Identifikation mit dem Zielbild
Gerade bei kleineren und mittleren Kanzleien ist die Akzeptanz ein entscheidender Erfolgsfaktor und kaum etwas macht es so unwirtschaftlich, wie ein demotiviertes Team.
Externe Unterstützung – Macht das Sinn?
Nicht jede Kanzlei kann oder will eine Strategie allein entwickeln. Externe Moderation und Beratung bieten Vorteile:
- Strukturierter Prozess
- Neutralität bei Konflikten
- Methodenkompetenz
- Verbindlichkeit in der Umsetzung
Wichtig ist, dass klar ist, dass externe Moderation nicht das eigene Denken und die Mitarbeit abnimmt, sondern den Prozess strukturiert und leitet. Als Systemischer Coach und Zertifizierte Change Managerin stelle ich die richtigen Fragen, stelle meine Erfahrung zur Verfügung und leuchte vielleicht in Ecken, die Sie nicht sehen. Die Antwort auf alle Ihre Fragen allerdings, sind Sie selbst.
Fazit: Kanzleistrategie braucht Struktur und Mut zur Entscheidung
Eine Kanzleistrategie entsteht durch gemeinsame Arbeit. Sie entsteht durch einen klaren Prozess, der Analyse, Zielbild, definierten Richtungen, Maßnahmen und Evaluation.
Kanzleien, die diesen Weg gehen, steuern aktiv und unternehmerisch, statt vom Mandanten-Impuls getrieben zu werden. Diese Kanzleien treffen bessere Entscheidungen, gewinnen Profil, binden Talente und sichern langfristig Mandate.
Tipp: Planen Sie einen Strategieworkshop mit Partnerinnen, Partnern und Schlüsselmitarbeitenden. Schon ein gemeinsamer Tag kann einen elementaren Unterschied machen – wenn er gut vorbereitet, professionell moderiert und nachhaltig belebt wird.
Häufige Fragen (FAQ) zur Kanzleistrategie
- Wann sollte man eine Kanzleistrategie entwickeln?
Idealerweise bevor Veränderungsdruck entsteht – etwa bei Wachstum, Spezialisierung oder Nachfolge. - Wie lange dauert der Strategieprozess?
Je nach Kanzleigröße drei bis sechs Monate – von der Analyse bis zur Umsetzung. - Braucht man externe Unterstützung?
Nicht zwingend, aber hilfreich: Moderation bringt Struktur, Erfahrung und Neutralität. - Wie oft sollte die Kanzleistrategie überprüft werden?
Mindestens jährlich – um Kurs und Prioritäten aktuell zu halten. - Was macht eine erfolgreiche Kanzleistrategie aus?
Sie ist klar, realistisch, gemeinsam entwickelt – und wird konsequent umgesetzt.
